Die Briten sind derzeit weltweit führend bei der Pferdeschwanz-Forschung. Foto: almEs entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass der Mann, der Rapunzels Geheimnis gelöst hat, selbst über keine ausgeprägte Haarpracht verfügt. Professor Ray Goldstein von der Universität Cambridge lässt sich über seine Glatze keine grauen Haare wachsen. Stattdessen hilft der Physiker den Frauen in aller Welt dabei, schön auszusehen, indem er ihnen eine Formel anbietet, mit der sie haargenau das Aussehen und die Bewegungsdynamik ihrer Pferdeschwänze beschreiben können – noch ehe die „Ponytails“ zusammengebunden werden. Für diese haarsträubende Entdeckung wurde Goldstein jetzt mit drei Mitforschern aus England und den USA mit dem „Ig-Nobel“-Preis der Physik ausgezeichnet.
Sie ist mittlerweile fast so begehrt wie der klassische „Nobel“: Die alljährliche Auszeichnung für schräge wissenschaftliche Durchbrüche in den USA hat viele Fans unter den Exzentrikern in den Labors, die ihre unkonventionellen Studien weltweit bekannt machen wollen. Bei der humorvollen Zeremonie werden die „Ig-Nobel“-Preise von Nobelpreisträgern auf der Bühne überreicht, während die Gäste im Saal mit Papierflugzeugen um sich werfen. Die kreativen und humorvollen Briten sind fast jedes Jahr bei den „Ig-Nobels“ vertreten.
So gewann den 2011er Preis für Physiologie eine Forscherin der Uni Lincoln, die erklären konnte, warum das Gähnen einer Köhlerschildkröte nicht ansteckend wirkt. Im Jahr davor wurde ein Londoner Wissenschaftler für sein „ferngesteuertes Atemprüfgerät für Walfische“ ausgezeichnet. Ein Radiologe wurde 2007 Bester, weil er die gesundheitlichen Folgen des Schwertschluckens beschrieben hatte. Ein andermal wurde ein Londoner Arzt für seine Untersuchung über Asymmetrie von Hoden bei 107 Skulpturen geehrt. Das schönste Experiment gelang jedoch 2005 den Neurobiologen aus Newcastle, die die Wirkung von „Star-Wars“-Filmen auf Heuschrecken untersucht haben. Das Ergebnis: Die Insekten vor einem Fernseher reagieren schneller auf die Imperialen Jäger, wenn sie frontal angreifen, als wenn sie mit Ionenschub flüchten.
Ray Goldsteins „Rapunzel-Formel“ für Langhaar-Frisuren berücksichtigt unter anderem die Gravitaion, die Festigkeit der Haare und deren “zufällige Welligkeit”. Zugegeben, sie ist ziemlich lang und kompliziert, weswegen manche Leserinnen vielleicht ihre Pferdeschwänze auf experimentellem Wege testen werden, statt stundenlang zu rechnen. Dennoch ist der Brite stolz darauf, ein Rätsel gelüftet zu haben, das schon vor 500 Jahren Leonardo da Vinci beschäftigt hat. Der Ponytail-Forscher war bei der Preisverleihung am Donnerstag in Harvard in guter Gesellschaft: Viele der diesjährigen „Ig-Nobels“ haben nach Expertenmeinung das Potenzial, um den Lauf der Geschichte zu verändern.
So gelang einer russischen Firma die Verwandlung von Munition zu Diamanten (Friedenspreis). Dank eines französischen Forscherteams können die Ärzte nun Darmspiegelungen so vornehmen, dass das „Explosionsrisiko“ für ihre Patienten minimiert wird. Sehr nützlich dürfte im Alltag ein neues japanisches Gerät sein, das beispielsweise Schwiegermütter am Telefon verstummen lassen kann, indem es ein verzögertes Rede-Echo erzeugt und so den Sprecher aus dem Takt bringt. Hochinteressant für die französische Tourismusindustrie ist die Entdeckung, dass der Eiffelturm kleiner erscheint, wenn man sich nach links neigt. Und der Literaturpreis-2012 dürfte die Bürokraten in aller Welt inspirieren. Eine US-Behörde bekam die Auszeichnung für eine bahnbrechende Studie über Berichte, die dringend empfiehlt, einen Bericht über den Bericht über Berichte über Berichte und Studien anzufertigen. Wozu? Das bleibt schleierhaft…