Ein Jahr nach den Spielen: Blick auf den verwandelten Londoner Olympia-Park. Fotos: alm„Der Supersturm ist nur noch eine blasse Erinnerung”, sagt Sara Speller und klingt gar nicht froh. Supersturm? „Ja, im letzten Sommer kamen drei Millionen Menschen hierher, es war die größte Publikumsveranstaltung der britischen Nachkriegsgeschichte. Und jetzt…“ – die blonde Frau mit dem blauen Abzeichen eines London Tour Guide hält inne und schaut aus dem Busfenster hinaus – „…sehen Sie dort die so genannte ,Aufräum- und Vollendungsphase‘“. Unser Bus fährt an Kränen, Baggern, Zäunen und Arbeitern in gelben Jacken vorbei, die Gruben ausheben und Bauschutt wegtragen. Sara hat recht. Der enthemmte, fröhliche Wirbel der 17 olympischen Tage in London 2012 ist so weit weg, als hätte es ihn nie gegeben. Der Olympiapark in Stratford erwacht allmählich zum neuen Leben, aber völlig verändert.
Verschwunden sind die blühenden Wiesen und Gärten, umgegraben sind die malerischen Kanalufer und von einigen Sportstätten fehlt jede Spur. So wurden die temporären Basketball- und Wasserball-Arenen abgerissen, auch das Hockey-Stadium findet man nicht mehr. Das rochenförmige Schwimmzentrum der Star-Architektin Zaha Hadid hat in der verkleinerten Fassung seine „Flügel“ mit 15 000 Sitzplätzen verloren. Das Olympia-Stadium steht noch, doch die neue Heimat des Premier-League-Clubs West Ham United wird für 500 Millionen Euro umgebaut. In Zukunft sollen darin sowohl Fußballfans als auch Leichtathletik-Zuschauer und Konzertbesucher auf ihre Kosten kommen. „Dies ist der Superstar unserer Show, dem wir die fliegende Queen und das Feuerwerk der Bolt-Rekorde verdanken“, sagt Sara Speller, als der Bus vor dem Herzstück der Spiele hält. Und diesmal schwingen in den Worten der Fremdenführerin Stolz und Freude mit.
Der "Rochen" hat keine Flügel mehr. Damit wurde das olympische Wassersportzentrum um 15 000 Sitzplätze verkleinert Die dritten Londoner Spiele haben dem ehemals strukturschwachen Osten der Millionenmetropole gut getan. Stratford besitzt heute das modernste Transportnetz der Hauptstadt und das beliebteste Einkaufszentrum – Westfield Stratford City, das 2000 ehemalige Arbeitslose aus dem Olympia-Stadtteil beschäftigt und jährlich fast eine Milliarde Pfund umsetzt. In der Nachbarschaft des Olympia-Stadiums werden 2 800 „bezahlbare“ Wohnungen und zwei neue Schulen entstehen. Der größte Gewinn für die Einwohner des einstigen Armenviertels ist wohl der verwandelte Olympia-Park mit neuen Fahrradwegen, Picknickflächen, Sport- und Spielplätzen in einer idyllischen Landschaft. An diesem Wochenende feiert der Park seine erste große Premiere nach dem Spielen: Zum Festival Hard Rock Calling mit Superstars wie Bruce Springsteen, Paul Weller und Kasabian werden mehr als 80 000 Musikfans erwartet.
Knapp ein Jahr nach dem größten Sportfest der Welt zieht der „Herr der Ringe“, Lord Sebastian Coe, eine vorsichtig positive Bilanz der elf Milliarden teuren Londoner Olympiade: „Sie hat die Briten weltweit als eine moderne, kreative und gastfreundliche Nation gezeigt. Jetzt geht es darum, den Olympia-Effekt daheim zu maximieren“. Der Ex-Chef des Organisationskomitees Locog will als Sport-Berater des Premiers David Cameron erreichen, dass mehr junge Briten die Sofas vor ihren Fernsehern verlassen und aktiv werden. Bislang kann Coe jedoch nicht mit großen Erfolgen glänzen. Laut einer neuen Studie ist die Zahl der Briten, die mindestens an 30 Minuten pro Woche Sport treiben, seit dem vergangenen Oktober um 200 000 gesunken. Eine mögliche Erklärung ist die harte Sparpolitik Camerons, die die Gemeinden dazu zwingt, unrentable Schwimmbäder und Sportzentren zu schließen.
Dieses seltsame Ding heißt "The Orbit" und ist das höchste Kunstwerk Großbritanniens. Der Aussichtsturm am Olympia-Stadion wird bald für Besucher wieder geöffnet sein Auch um den legendären „Geist der Spiele“ in der Gesellschaft ist es offenbar nicht gut bestellt. Olympia in London verdankte seinen Erfolg vor allem den 70 000 freiwilligen Helfern, die den Besuchern der Hauptstadt geholfen und in den Straßen gute Laune verbreitet haben. Vor zwei Monaten monierte jedoch das Westminster-Parlament auf einer Anhörung, dass die Regierung gar keinen Plan für die Beteiligung der „Volunteers“ an Großereignissen habe, weswegen sich der Olympia-Geist schnell „verflüchtigt“ habe.