Eilean Donan Castle: bald eine Ikone des unabhängigen Schottlands? Fotos: almEs sind aufregende Zeiten für die Souvenirhändler nördlich des Hadrianwalls, die Extra-Lieferungen von weißblauen „Saltire“-Flaggen und Dudelsäcken bestellen. Seit dem vergangenen Dienstag steht fest, dass die Schotten 2014 über ihre mögliche Unabhängigkeit vom Rest des Königreichs abstimmen werden. Doch der rechtliche Rahmen und die möglichen Folgen des kontroversen Referendums bleiben ein Thema von erbitterten Debatten zwischen der britischen Zentralregierung und den Nationalisten in Edinburgh, die das nahende Diamantene Thronjubiläum der Queen zu überschatten drohen. In der vergangenen Woche überschütteten die Politiker in England und Schottland einander mit Hohn und Vorwürfen, um am Ende zähneknirschend ihre Dialogbereitschaft zu verkünden.
Der Zusammenhalt des Vereinigten Königreichs steht vor einer Zerreißprobe. Verantwortlich dafür ist der britische Premier David Cameron, der Anfang Januar die Separatisten im Norden der Insel herausgefordert hat. Die seit 2007 in Edinburgh regierende Scottish National Party (SNP) verfolgt ein „heiliges Ziel“, den 1707 unterzeichneten Unionsvertrag mit England eines Tages zu kündigen und die fünf Millionen Schotten in die staatliche Unabhängigkeit zu führen. Der charismatische Populist Alex Salmond (57) hatte früher als Chef einer Minderheitsregierung keine reale Kraft, um dieses Versprechen zu erfüllen. Zum großen Ärger Camerons holte sich jedoch die SNP im Mai 2011 bei ihrem „historischen“ Wahltriumph 68 Sitze im 129-köpfigen Regionalparlament Holyrood. Damit war der Weg frei für eine „Schicksalsabstimmung“, die ein erster Schritt zur Abnabelung der stolzen Whisky-Trinker und Kilt-Träger von ihren Nachbarn im Süden der Insel werden könnte. Der Separatismus in Schottland wächst seit Jahren langsam, aber beständig. Laut der letzten Umfrage stieg die Zahl der Anhänger der Unabhängigkeit zwischen August und Dezember um drei Zähler auf 38 Prozent, während die Unterstützung für die Union auf 57 Prozent sank. Als gewiefter Stratege hat Salmond den Termin für die Volksabstimmung lange hinausgeschoben, um von diesem Stimmungstrend zu profitieren. Er gab die Hinhaltetaktik erst auf, als Cameron Anfang Januar die Schotten dazu aufforderte, die „rechtliche Unklarheit zu beenden“.
SNP-Chef Alex Salmond vor einem patriotischen Bild in seinem BüroSalmonds Strategie besteht jetzt darin, das Referendum nach dem 700. Jahrestag der Unabhängigkeits-Schlacht von Bannockburn (23. Juni 1314) abzuhalten, in der der schottische König Robert the Bruce seinen englischen Rivalen Edward II. besiegt hat. Doch Cameron will der SNP diesen patriotischen Bonus bei der Abstimmung nicht gönnen, weswegen Westminster ein schnelles Referendum binnen eines Jahres fordert. Dabei beharrt London auf einer klaren Wahl: Ja oder Nein zur Unabhängigkeit. Die Regierung in Edinburgh besteht auf einer dritten Option auf dem Wahlzettel, die eine Teilautonomie vorsieht. Danach würden die Schotten eigene Finanzen haben, aber auch eine gemeinsame Außenpolitik und Verteidigung mit England.
Camerons Vorstoß hat den separatistischen Geist aus der Flasche befreit, was die Koalitionsregierung in London mittlerweile bereut. „Wir wollen nicht unsere Bedingungen diktieren“, hieß es zuletzt in der Downing Street. Genau das werfen den Briten jedoch die SNP-Minister vor, die geschickt den patriotischen Zorn ihrer Landsleute schüren. „Politische Führer von großen Nationen können nicht der Versuchung widerstehen, kleine Nationen zu drangsalieren“, kritisierte am Freitag Salmond die „tölpelhaften“ Tories. „Sie wollen uns ihren Willen aufzwingen, doch diese Zeiten sind vorbei“.
König Robert the Bruce wacht seit Jahrhunderten am Eingang des Stirling CastleSeinerseits drohte der britische Finanzminister George Osborne den Schotten damit, dass sie als unabhängige Nation den Pfund aufgeben und sich der Eurozone anschließen müssten. „Sie wären weniger wohlhabend als heute und könnten nicht im Notfall ihre Banken retten“, prophezeite Osborne. Das Finanzministerium in Edinburgh nennt solche Prognosen unseriös. „Hätte das unabhängige Schottland vollen Zugriff auf alle seine Ressourcen, stünden wir auf Platz sechs unter 34 OECD-Staaten, zehn Plätze vor Großbritannien“, hieß es dort am Freitag. Die SNP baut vor allem auf die Gas- und Ölfelder in der Nordsee, die bis 2017 umgerechnet 65 Milliarden Euro in die Staatskassen spülen sollen. Schottland will seine Unabhängigkeit ferner mit dem Tourismus und den Whiskyexporten finanzieren, die 2011 um 22 Prozent zugelegt haben.
„Die Uhr tickt“, kommentiert die „Times“ die „Schachpartie“ zwischen Cameron und Salmond um die Zukunft des Königreichs. Als Erste werden die Schotten am 25. Januar ihre Pläne für das Referendum vorlegen müssen. Danach soll verhandelt werden.