Jüngste britische "Bestattungsdirektorin" Rachael Ryan (l.) mit ihrer Schwester.
Foto: Michael Ryan & Son and DaughtersNur auf den ersten Blick ist Rachael Ryan so wie andere junge Mädchen. Die attraktive Brünette mit langen lockigen Haaren schmachtet im Internet den „süßen“ Taucher Tom Daley an, plaudert gerne über Reality-TV und twittert Fotos von ihrem Hund Charly. Doch die 17-jährige Schülerin aus Newport ist ein Ausnahmefall unter britischen Teenagern. Nach dem Unterricht und in den Ferien verwandelt sich Rachael in eine Unternehmerin mit Zylinderhut, Jackett und Krawatte, die regelmäßig weinende Kunden trösten und Trauerreden planen muss. Sie nimmt ihren Job buchstäblich todernst.
Mit 13 Jahren sah die Waliserin ihre erste Leiche, einen Mann, der „einfach zu schlafen schien, wie mein Papa auf dem Sofa“. Sie erschrak sich nicht. Mit 15 Jahren lernte sie, wie man Verstorbene herrichtet. Mit 16 bekam sie von ihrem Vater zum Geburtstag eine Torte in Form eines Sargs überreicht. Das passende Geschenk zum Dessert war eine Stelle als Direktorin im Familienunternehmen Michael G Ryan Son & Daughters. Heute ist Rachael Ryan angeblich die jüngste Bestatterin Großbritanniens. Die „Sensenfrau“, wie sie scherzhaft von ihren Freunden genannt wird, liebt ihren „faszinierenden“ Job, sie träumt jedoch von einer späteren Karriere als Sängerin.
Britische Jugendliche haben viel zu tun. Die Schultage sind lang, nach Hausaufgaben, Sport und Wohltätigkeit bleibt von der Freizeit kaum etwas übrig. Und manche ruft sogar noch das große Geschäft. Diese kleinen Inselbewohner haben keine Zeit, um ihre Kindheit zu genießen, weil sie bereits ab der Grundschule ans Geldverdienen denken. Das ist keineswegs verpönt. 2011 pries der Premier David Cameron auf einer Preisverleihung die tüchtigen Teens als „risikofreundliche und energische“ Geschäftsleute, die den „zukünftigen Wohlstand unseres Landes sichern“ würden. Einer von ihnen ist Henry Patterson (9), der auf Fototerminen in Streifenanzug erscheint und den „Wall Street“-Banker Gordon Gekko zu seinen Vorbildern zählt.
Henrys erste Geschäftsidee war es, Dünger in Tüten für jeweils ein Pfund anzubieten. Da war er gerade sieben. Der Sohn eines Marketingfachmanns kaufte daraufhin in Wohltätigkeitsläden gespendete Sachen und versteigerte sie auf eBay. Im Januar gründete Henry mit Hilfe seiner Mutter die Online-Handelsmarke „Not before tea“ (Nicht vor dem Tee) die Kinder mit Alien-Fruchtgummi, UFO-Keksen und anderen Süßigkeiten in selbst designten Einmachgläsern glücklich macht. Das Geschäft soll florieren, und der Grundschüler zahlt nach eigenen Worten fünf Prozent seiner Einnahmen auf ein Bankkonto ein, um mit dem gesparten Geld später einen Film drehen zu können. In der Schule verteilt Henry stolz Visitenkarten mit der Aufschrift „Creative Director“. Als jüngstes Mitglied der Handelskammer von Bedfordshire seit 1877 kann er sich das erlauben.
Doch der Erfolg des Mini-Gekko verblasst im Vergleich mit der glänzenden Karriere von Mollie Price. Die Waliserin (7) hat es geschafft, seit Ende 2010 drei große Süßigkeitenläden in ihrer Heimatstadt zu eröffnen. Auf dem Papier gehört die Firma „Mollie’s“ der 36-jährigen Becky Price, doch die Mutter der Unternehmerin behauptet, keine wichtige Entscheidung ohne ihre Tochter treffen zu können. „Sie steht jeden Sonntag um fünf auf und begleitet mich zu den Großhändlern in Birmingham, wo sie unser neues Sortiment auswählt“, sagte Price in einem Interview. Manchmal testet Mollie erst die Bonbons, Zuckerwatte und Lutscher an ihren Freunden. Was den Kindern schmeckt, findet den Weg in die Regale der Handelskette. Nach Angaben des „Shropshire Star“ will das erfolgreiche Unternehmen aus Welshpool weiter expandieren. „Wir Kinder haben eben die besten Ideen“, sagte der Lokalzeitung stolz seine kleine Chefin.